Sonntag, 23. Januar 2005

Abriss in Halle ?

Abriss in Halle?
Der Kommentar


von Dankwart Guratzsch

So kann das mit der Privatisierung der Kulturförderung nicht gemeint sein. Privatleute spenden, um Kulturgüter vor dem Untergang zu retten, und die öffentliche Hand fühlt sich dadurch ermächtigt, sogleich andere Kulturzeugnisse zur Disposition zu stellen.

Schauplatz Halle/Saale: Da hat die 80jährige Marianne Witte, Tochter des Chemie-Nobelpreisträgers Karl Waldemar Ziegler, soeben der Stadt ein einzigartiges Geschenk gemacht: 5,2 Millionen Euro. Mit der Spende ist ein Denkmal von europäischem Rang instand gesetzt worden: der 400 Jahre alte Stadtgottesacker, Grabstatt des Philosophen Christian Thomasius, des Vaters der Franckeschen Stiftungen August Hermann Francke und der Eltern Georg Friedrich Händels. Nach italienischen Vorbildern gestaltet, gilt die Renaissanceanlage als bedeutendste ihrer Art nördlich der Alpen.

Bei der Übergabe des "steinernen Geschichtsbuchs" an die Stadt am 21. Mai waren Amtspersonen, Professoren und Parteienvertreter des Lobes voll. Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler (SPD) schwelgte in der Vorstellung, daß es "immer wieder möglich ist, Träume zu verwirklichen". Doch kaum sind die Gäste abgezogen, setzt der Stadtrat ein anderes Kulturdenkmal auf die Abschussliste: die ehemalige Landesheilanstalt Nietleben. Auf den Tag eine Woche nach der Friedhofsfeier will er den Abriss des Kulturdenkmals beschließen.

Muß sich die Gönnerin nicht düpiert fühlen? Denkmalpfleger, Heimatvereine, die Architektenkammer, der frühere Planungsamtsleiter Busmann sowie der "Arbeitskreis Innenstadt" haben die Oberbürgermeisterin beschworen, die Hände von dem Baudenkmal zu lassen. Kunstwissenschaftler und Ärzte haben darauf verwiesen, dass es sich um ein einzigartiges Zeugnis nicht nur der Bau-, sondern auch der Sozialgeschichte handelt. Die neoklassizistische, schloßartige Anlage, 1844-57 von den Architekten Spott und Steudener errichtet, gilt als eine der ersten modernen psychiatrischen Anstalten Deutschlands. Doch sie steht einem Hochtechnologie-Zentrum im Wege, das angeblich an keiner anderen Stelle gebaut werden kann.

Hier fehlt, in einer Stadt, die vor Jahr und Tag ihren Planungschef kaltgestellt hat, nicht nur Phantasie und Sachverstand, sondern der Instinkt für das, was in der Konkurrenz der europäischen Städte für die Zukunft wirklich wichtig ist.

Artikel erschienen am 26. Mai 2003
Quelle: DIE WELT

Keine Schüler - dann müssen eben die Schulen schließen

Keine Schüler - dann müssen eben die Schulen schließen
Halle an der Saale hat 90 000 Einwohner verloren - Die Infrastruktur wird konsequent angepasst


von Gerhard Haase

Halle - Die Sozialdemokratin Ingrid Häußler wusste genau, worauf sie sich einließ, als sie am 1. Mai 2000 das Amt der Hallenser Oberbürgermeisterin antrat. Drei Jahre war sie als Regierungspräsidentin Chefin der zuständigen Kommunalaufsicht und musste so manches Kreditbegehren der Kämmerei auf das Machbare zurechtstutzen. Doch noch sah man im Rathaus keine Notwendigkeit, Sparkonzepte umzusetzen.

"Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, an dem wir ohne entscheidende Einschnitte nicht mehr weitermachen können", erklärte Häußler im letzten November ihrem Stadtrat. Zu diesem Zeitpunkt hatte Halle bereits mehr als 300 Millionen Euro Schulden, ein strukturelles Defizit von 41 Millionen Euro (welches sich in diesem Jahr auf 55 Millionen belaufen wird) und 90 000 Bürger weniger als noch fünf Jahre zuvor. Auch wenn jeder dritte der Abgewanderten nicht weit reiste und sich in Schowitz, Lieskau, Peißen oder eine der anderen Saalkreis-Gemeinden niederließ - der Hallenser Stadtkasse fehlen die Steuern. Und nicht nur das: Da die Pro-Kopf-Zuweisung des Landes jeweils auf statistischen Angaben beruht, die zwei Jahre alt sind, stand Halle durch die inzwischen erfolgte Abwanderung plötzlich in Magdeburg mit neun Millionen Euro in der Kreide.

Ingrid Häußler warb im Stadtrat für einschneidende Maßnahmen und zeigte auf das Beispiel Offenbach.

Dort hatte der Oberbürgermeister mit einer "Liste der Grausamkeiten", sogar Wahlen gewonnen. Motto: Die Leute wollen einfach wissen, woran sie sind, dann machen sie auch mit.

Auch in Halle gab es eine Liste der Grausamkeiten: Die Aufgabenbereiche zweier Dezernate wurden anderen zugeschlagen, die Verwaltung durch Streichung einer ganzen Hierarchieebene verschlankt. Und die öffentliche Infrastruktur wurde der neuen Einwohnerzahl angepasst. Bei einer Abwanderung in der zahlenmäßigen Größenordnung einer Stadt wie Dessau macht es natürlich auch wenig Sinn, Schulen, Bäder und Bibliotheken im gleichen Umfange zu erhalten. Konkret hat man in Halle die Schließung von 13 Grundschulen, die Reduzierung von zwölf Außenstellen der öffentlichen Bibliotheken auf vier und die Schließung eines Schwimmbades beschlossen.

Das Opernorchester und die Philharmonie wurden zusammengelegt und 50 Musiker freigesetzt. Einsparungen im Kulturbereich sind in Halle kein Tabu mehr, wenngleich in Bezug auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 unter Umständen kontraproduktiv.

Aber von Offenbach will Häußler nicht nur das Sparen lernen. Mit einem gezielten Wirtschaftsförderungsprogramm war es dort gelungen, 12 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. In dieser Frage weiß sie sich mit Frank Sänger, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden in Halle einig, der in seiner Haushaltsrede Ende April darauf hinwies, dass "die Schaffung von Arbeitsplätzen die beste Sozialpolitik ist". Wie aber kann erreicht werden, dass nicht nur die Hallenser abwandern, sondern dass auch neue Investoren in die Stadt kommen?

"Wir sind gerade dabei, eine Gesellschaft zu gründen, die unsere gesamten Wirtschaftsfördermaßnahmen zusammenfasst", erläutert OB Häußler. Eine Gesellschaft, in der Kommune und ortsansässige Unternehmen an einem Strang ziehen sollen. Anlässlich der Gründung der Stadtmarketing Halle GmbH (SMG) vor einigen Wochen fasste sie deren Ziele zusammen: "Das ist ein Meilenstein auf dem Weg dahin, unsere wirtschaftlich, kulturell und wissenschaftlich höchst attraktive Saalestadt endlich wirksam vermarkten zu können."

Zunächst wird die Kommune in der SMG noch 60 Prozent der Anteile halten, langfristig aber ist geplant, sie mehrheitlich in die Hände der privaten Partner zu geben. In der Stadtverwaltung soll dann nur noch eine Servicestelle für die Investoren aufrechterhalten werden und ein Lotsensystem, damit sie schnell durch die Ämter geschleust werden können.

Sieben Großfirmen - von der Schokoladenfabrik Halloren bis zum Tiefbauunternehmen Papenburg - haben den Förderverein Pro Halle e.V. gegründet. Nach Umsatzgrößen gestaffelt, bringen sie mit Mitgliedsbeiträgen bis zu 50 000 Euro pro Jahr einen wesentlichen Finanzierungsanteil für das künftige Stadtmarketing auf.

Artikel erschienen am 25. Aug 2003
Quelle: DIE WELT

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